Formen der Gewalt

Gewalt gegen ältere Menschen umfasst in der Regel mehrere kombiniert auftretende Formen der Gewalt. In den folgenden Kapiteln werden die einzelnen Gewaltformen näher dargestellt.


Formen der Gewalt

„Du alter Trottel, halts Maul oder du bekommst eine!“

„Mit dir muss man sich überall schämen, schau nicht so blöd!“

„Du bist zu alt, um das zu verstehen, misch dich nicht ein!“

Von Außenstehenden oftmals äußerst schwer zu erkennen ist die Ausübung psychischer Gewalt. Unter psychischer Gewalt werden alle jene Misshandlungen verstanden, die an der Seele des älteren Menschen Schaden verursachen. Es reicht von Beschimpfungen, Demütigungen, Verspotten bis hin zu Drohungen, Erpressungen. Oftmals „genügt“ eine Drohung, um den betroffenen Menschen nachhaltig in Angst zu versetzen.

Ebenso darunter einzuordnen sind schwerwiegende Eingriffe wie der Verlust von Autonomie, die Isolation oder das Ignorieren.

Unter psychische Gewalt fallen auch alle jene  Handlungen, bei welchem körperliche Gewalt nicht unmittelbar gegen den älteren Menschen ausgeübt wird, sondern an Gegenständen oder auch Haustieren, die für den Betroffenen einen besonderen ideellen Wert haben. Beispiele sind in diesem Zusammenhang das Wegwerfen oder Zerstören von persönlichen Dingen.

Auf emotionaler Ebene ausgeübte Gewalt ist schwerer zu identifizieren als körperliche Misshandlungen. Die Bandbreite der psychischen Gewalthandlungen ist sehr umfangreich, die Wunden sind meist schwerer zu heilen und die Narben oftmals tiefer als bei körperlicher Gewalt.

Gewalt in Form der Vernachlässigung von Bedürfnissen älterer Menschen kann psychische und physische Auswirkungen nach sich ziehen, wenn beispielsweise die erforderliche Betreuung nur unzureichend wahrgenommen wird.

Psychische Gewalt gilt als besonders gravierend und zerstörerisch, da damit die Zerstörung des Selbstwertgefühls, der psychischen Gesundheit, der eigenen Identität, des Glaubens eigener Werte und Gefühle sowie eigene Fähigkeiten verloren gehen können. Psychische Gewalt geschieht vielfach subtil und ist von außen nur begrenzt sichtbar.

„Aua, das tut weh!“

„Warum ziehst du mich immer an den Haaren?“

„Das Wasser ist zu heiß, du verbrennst mich!“

Unter körperlicher Gewalt sind sämtliche Eingriffe und damit verbundene Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit zu verstehen. Sie verursacht immer Schmerzen, Verletzungen müssen nicht zwangsläufig damit einhergehen.

Körperliche Gewalt umfasst alle Formen von Misshandlungen wie schlagen, zwicken stoßen, treten, boxen, mit Gegenständen werfen, an den Haaren ziehen, mit den Fäusten oder Gegenständen prügeln, Attacken mit Waffen, willkürlicher Einsatz von Medikamenten  bis hin zum Mordversuch oder Mord. Diese Form der Gewalt ist jene, die in der Öffentlichkeit am deutlichsten wahrgenommen wird.

Schwere körperliche Misshandlungen zeigen meist sichtbare Zeichen wie Brüche, Verbrennungen, Schnitte, Stiche, Quetschungen, innere Blutungen. Sie bedürfen meist einer medizinischen Behandlung und werden von der Gesellschaft kaum toleriert.

Zahlreiche der im Alltag vorkommenden Gewaltanwendungen hinterlassen jedoch kaum sichtbare Spuren, zu denken ist etwa an Ohrfeigen, leichte Schläge oder Tritte, Zerren an Haaren. Damit verbunden bleiben oftmals auch gerichtsverwertbare Spuren aus.

Verwahrlosung und Vernachlässigung betrifft ganz generell Menschen, die auf Unterstützung anderer angewiesen sind und können durch körperliche Merkmale sichtbar werden.

„Diese Berührung ist mir unangenehm.“

„Alte Frauen schauen abstoßend aus!“

 Diese Form der Gewalt umfasst sämtliche Handlungen, die dem älteren Menschen aufgedrängt oder aufgezwungen werden und reicht von sexueller Nötigung bis zur Vergewaltigung.

Auch ältere Menschen können von sexueller Gewalt betroffen sein. Gerade diese Art der Gewalt ist immer noch einer starken Tabuisierung unterworfen.Oft wird von der stereotypen Vorstellungen ausgegangen, dass ältere Menschen nicht mehr sexuell attraktiv sind und somit auch nicht Opfer von sexueller Gewalt sein können.

Sexuelle Gewalt meint auch sexuelle Belästigung durch Bemerkungen bzw. Handlungen, die die subjektive Grenze der betroffenen Person überschreitet, das Berühren intimer Körperteile, anzügliche Gespräche und/oder Witze, Zeigen pornografischer Bilder/Filme, aber auch die Abwertung des gealterten Körpers und der Vergleich mit jüngeren Menschen.

Unter sexualisierter Gewalt sind sämtliche Formen sexuellen Kontakts gemeint, in die nicht freiwillig zugestimmt wurde. Sexuelle Kontakte mit einer Person, die aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht in der Lage ist einzuwilligen, fallen z.B. unter sexualisierte Gewalt.

Diese Form der Gewalt findet oft in Situationen statt, in denen der Täter sein gewalttätiges Verhalten tarnen kann, wie beispielsweise beim Umziehen oder Wechseln der Einlagen. Die Betroffenen sind äußerst belastet und voller Schuld- und/oder Schamgefühlen.

Ergänzend ist anzuführen, dass gerade ältere Frauen in ihrer Lebensgeschichte mitunter schon öfter von sexualisierter Gewalt betroffen waren, da die Diskussion über Vergewaltigung in der Ehe erst in den 1970er Jahren einsetzte.

„Das Verlassen des Heimes ist nur in Begleitung erlaubt.“

„Die Besuchszeit ist vorbei!“

Diese Form der Gewalt ist besonders schwierig erkennbar, da es keine handelnden Akteure im engeren Sinn gibt. Dennoch ist sie allgegenwärtig und wirkt stetig. Sie hat ihren Ursprung in gesellschaftlichen und strukturellen Gegebenheiten.

In diesem Zusammenhang ist etwa an starre Regeln in Institutionen und deren ungefragtes Befolgen zu denken, wie zB vorgegebene Essens- oder Ruhezeiten, das Unterbinden von Kontakt zu Familie oder Freunden, Sperren des Telefons, Abstecken der Notrufglocke oder Zusperren der Zimmertüre. Aber auch die bewusste Verknappung von Personalressourcen ist eine Form von struktureller Gewalt.

Du bekommst kein Geld für den Frisörbesuch, so etwas brauchst du doch nicht mehr!“

„Wenn du mir nicht deine Bankvollmacht gibst, komme ich dich nicht mehr besuchen!“

„Ich kümmere mich nur um dich, wenn ich deine Wohnung erbe!“

Die wirtschaftliche Abhängigkeit wird oftmals ausgenützt, um eine Machtstellung innerhalb der Pflege zu unterstreichen. Diejenigen Personen, die über die finanziellen Belange der Menschen verfügen, entscheiden auch über die Zuteilung. Es bleibt deren Ermessenspielraum überlassen, wie viel Geld für persönliche Wünsche ausgegeben werden darf. Ältere Menschen kommen oft in die Situation um Geld bitten zu müssen. Es kann auch vorkommen, dass finanzielle Mittel generell verweigert werden.

Unter ökonomische Gewalt fällt, wenn Geld oder Wertsachen abgenommen oder persönliche Dinge gegen den Willen des betroffenen Menschen verkauft werden. Ebenso zählen der generelle Entzug von Geld und Eigentum, die alleinige Verfügung über die finanziellen Ressourcen, die Verweigerung der Befriedigung der Grundbedürfnisse, den Zugang zum eigenen Geld verwehren, den Besitz einer Bankomat- oder Kreditkarte verhindern, die Kontrolle der getätigten Ausgaben bis hin zur  Unterschlagung von Geld, das Verstecken von finanziellen Ressourcen und Besitztümern oder deren Diebstahl zu ökonomischer Gewalt.

Ein weiterer Gewaltaspekt ist die Zerstörung oder Beschädigung von Sachen, die für die Person von besonderem (ideellen) Wert sind. Damit wird Macht demonstriert.